Europäischer Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai: Landesbeauftragter sieht Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen in Pandemie

Joachim Leibiger: „Bundesnotbremse nachbessern, Landesaktionsplan wiederbeleben“

Der Thüringer Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen hat sich aus Anlass des morgigen Europäischen Protesttages für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen kritisch mit den Auswirkungen der Pandemiebewältigung auf Menschen mit Behinderungen auseinandergesetzt. Auch wenn es viel Verständnis und Geduld für den Schutz von Leben und Gesundheit gebe, falle die Bilanz nach über einem Jahr Pandemie laut Leibiger zwiespältig aus. Die vor einem halben Jahr durchgeführte Erhebung im Rahmen des Thüringer Inklusionsmonitors sei nach wie vor aktuell. Viele Dauerthemen, etwa die Barrierefreiheit oder die Inklusion in Bildung und Beschäftigung, drohten sich rückwärts zu entwickeln und müssten schnellstmöglich wieder ins öffentliche Bewusstsein rücken. Positiv sei die Vorbereitung eines Förderprogramms für mehr Barrierefreiheit in Thüringen.

Der Landesbeauftragte bemängelte, dass die besonderen und vielfältigen Belange von Menschen mit Behinderungen im Zuge eiliger Gesetzesentscheidungen häufig nicht oder zu spät bedacht würden. Ein aktuelles Beispiel sei die Bundesnotbremse, die Vorgaben zu Test- und Maskenpflichten etwa in der Schule oder bei der Beförderung von Menschen mache, ohne im Einzelfall Ausnahmen davon zu ermöglichen. Damit werde in Einzelfällen der Schulbesuch unnötig erschwert oder unmöglich gemacht.

Joachim Leibiger äußerte sich wie folgt:

„Die Pandemiebewältigung hat tiefe Spuren in unserer Gesellschaft hinterlassen. Leider haben Menschen mit Behinderungen seit Beginn der Pandemie mitunter das Gefühl, nicht gehört oder vergessen zu werden. Es melden sich verzweifelte Eltern bei mir, deren Kindern der Zutritt zu Schulen verweigert wird, weil sie sich aus gesundheitlichen Gründen nicht testen lassen können. Fahrdienste dürfen Menschen mit Behinderungen nur noch unter Benutzung von FFP-2-Masken befördern. Die Bundesnotbremse im Infektionsschutzgesetz erlaubt keine Ausnahmen davon, was für die Beteiligten oft eine unerträgliche Last bedeutet. Hier muss nachgebessert werden!“

Der Landesbeauftragte berichtete, die Problembereiche regelmäßig mit seinen Kollegen von Bund und Ländern sowie den Thüringer Ministerien zu erörtern. Er werde hierzu auch auf der für den 12. Mai 2021 geplanten Sitzung des Landesbehindertenbeirates sprechen. Zudem müsse der 2018 von der Landesregierung beschlossene Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention mit neuem Leben erfüllt werden. Die hierzu gebildeten Arbeitsgruppen sollten bald wieder tagen können.

Hintergrund:

Der Europäische Protesttag wurde vor rund 30 Jahren im Jahr 1992 als Aktionstag von den Interessenvertretungen Selbstbestimmt Leben Deutschland (ISL) ins Leben gerufen. Der 5. Mai war bewusst gewählt, da zeitgleich auch der Europatag des Europarates stattfindet. Die Wahl des gemeinsamen Datums weist auf das Ziel hin, dass alle Menschen europaweit gleichgestellt sein sollen. Der Protesttag macht darauf aufmerksam, dass weiterhin die Grundlagen für eine Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft zu schaffen sind.

In Thüringen leben seit Jahresbeginn etwa 400.000 Menschen mit einer anerkannten Behinderung gem. Sozialgesetzbuch. Das entspricht einem Anteil von ca. 20 % der Thüringer Gesamtbevölkerung.

Seit dem Jahre 2016 führt der Landesbeauftragte jährlich eine  thüringenweite Erhebung durch. Im Rahmen des „Inklusionsmonitors“ werden die Teilnehmenden zu verschiedenen Aspekten rund um die Thematik „Menschen mit Behinderungen“ befragt.   Der Inklusions-Monitor besteht aus einem jährlich gleichbleibend erhobenen Teil von Fragen und einem thematischen Schwerpunkt. Im Jahr 2020 lag dieser Fokus auf dem Thema „Corona“.

 

Markus Lorenz

Stellvertreter und Pressesprecher