Presseinformation der Bundesagentur für Arbeit Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen
072/2021 – Halle (Saale), 02.12.2021
Arbeitsmarkt: Menschen mit Behinderung weiterhin benachteiligt
+++ Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten in Thüringen sinkt weniger stark, als Zahl der Arbeitslosen insgesamt +++ Behrens: „Menschen mit Behinderung bei der Jobsuche häufig mit Vorurteilen konfrontiert +++ Knapp 60 Prozent der verpflichteten Unternehmen kommen ihrer Beschäftigungspflicht für Schwerbehinderte nicht vollständig oder gar nicht nach +++ Joachim Leibiger: „Unternehmen verschenken Potential!“
Die Zahl der arbeitslosen Menschen mit Schwerbehinderung in Thüringen ist in den vergangenen fünf Jahren zurückgegangen. Das zeigt eine Datenanalyse der BA-Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen anlässlich des „Tages der Menschen mit Behinderung“ am 03. Dezember. So sank die Zahl der arbeitslosen schwerbehinderten Menschen von 5.269 im November 2016 auf 4.499 im November 2021. Das entspricht einem Rückgang von 14,6 Prozent. Trotzdem bleiben Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Denn die Zahl der Arbeitslosen insgesamt sank im gleichen Zeitraum um 23,5 Prozent, von 69.433 auf 53.082. Vergleicht man den November 2021 mit dem November 2020, sank die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten um 9,9 Prozent, während die Zahl der Arbeitslosen insgesamt um 17,6 Prozent zurückging. Die Benachteiligung zeigt sich auch bei der Dauer der Arbeitslosigkeit: Im Schnitt ist ein schwerbehinderte Arbeitsloser in Thüringen 195 Tage arbeitslos. Bei den Arbeitslosen insgesamt liegt die Dauer der Arbeitslosigkeit durchschnittlich bei 159 Tagen.
Markus Behrens: „Menschen mit Behinderung müssen bei der Jobsuche oft mit Vorurteilen kämpfen“
„Menschen mit Behinderung müssen bei der Jobsuche häufig mit Vorurteilen und Berührungsängsten kämpfen. Dann steht nicht ihr Fachkräftepotential im Vordergrund, auf das Arbeitgeber mehr denn je angewiesen sind, sondern vermeintliche Einschränkungen. Diese haben aber häufig viel geringere Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit, als viele denken.“, erklärte Markus Behrens, Geschäftsführer der BA-Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen.
Behrens: „Wer integriert, der profitiert!“
Er verwies darauf, dass arbeitslose Menschen mit Behinderung häufig gut qualifiziert und besonders motiviert seien. So haben fast 78 Prozent aller schwerbehinderten Arbeitslosen in Thüringen einen Berufsabschluss oder eine akademische Ausbildung. Zum Vergleich: Der Anteil der Menschen mit beruflichem oder akademischem Abschluss liege bei allen Arbeitslosen bei knapp 65 Prozent. Zudem stellten die Arbeitsagenturen in Thüringen im Jahr 2021 94,5 Millionen Euro für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt und Reha-Maßnahmen zur Verfügung. Damit unterstützen sie schwerbehinderte Menschen und Rehabilitanden etwa bei der technischen Ausstattung ihrer Arbeitsplätze, bei der Aus- und Weiterbildung oder zahlen Zuschüsse an Arbeitgeber. „Wer integriert, der profitiert: Von guten, motivierten und loyalen Mitarbeitern und der Unterstützung durch Arbeitsagenturen, Jobcentern und Integrationsämter“, erklärte Behrens.
Joachim Leibiger: „Viele Unternehmen in Thüringen kommen ihrer Beschäftigungspflicht nicht vollständig nach – Unternehmen verschenken Potential“
Von den 4.640 Unternehmen, die in Thüringen gesetzlich zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen verpflichtet sind, kommen 2.637, also 57 Prozent ihrer Beschäftigungspflicht nicht vollständig oder gar nicht nach und zahlen eine gestaffelte Ausgleichsabgabe. Davon verzichten 1.021 Unternehmen ganz auf die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen. Landesweit sind damit nur 21.156 der 482.865 zu berücksichtigenden Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt, das entspricht einer Quote von 4,4 Prozent. Deutschlandweit liegt die Quote bei 4,6 Prozent. „Allerdings stieg der Anteil in Thüringen zuletzt leicht von 4,3 % auf 4,4 % an. Dieser positive Trend bei der Beschäftigung muss sich fortsetzen. Denn wer als Unternehmer nicht einstellt, verschenkt Potential und verwehrt schwerbehinderten Menschen die Chance und das Recht auf Teilhabe. Ich begrüße daher die Ankündigung im Vertrag der zu erwartenden Ampel-Koalition, eine erhöhte Ausgleichsabgabe für Betriebe einzuführen, die überhaupt keine Pflichtarbeitsplätze mit Menschen mit Behinderungen besetzen“, erklärte Joachim Leibiger, Thüringer Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderungen.
Hintergrund: Beschäftigungspflicht und Ausgleichsabgabe
Arbeitgeber mit durchschnittlich mindestens 20 Arbeitsplätzen sind gesetzlich verpflichtet, auf mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Diese Arbeitgeber haben der Agentur für Arbeit bis spätestens 31. März 2022 ihre Beschäftigungsdaten anzuzeigen. Diese Frist kann nicht verlängert werden. Am schnellsten geht es elektronisch. Kommen Arbeitgeber der Beschäftigungspflicht nicht nach, ist eine sogenannte Ausgleichsabgabe zu zahlen. Diese Abgabe wird auf Grundlage der jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote ermittelt. Falls eine Ausgleichsabgabe gezahlt werden muss, kann dies ebenso über die Software berechnet werden.
Die Ausgleichsabgabe wird nicht pauschal erhoben, sondern ist gestaffelt.
Beschäftigungsquote Höhe der Abgabe je
für Arbeitgeber Monat und unbesetztem Arbeitsplatz
3 Prozent bis unter 5 Prozent 140,- Euro
2 Prozent bis unter 3 Prozent 245,- Euro
unter 2 Prozent 360,- Euro
Regelungen für kleinere Betriebe
Unternehmen mit weniger als 40 Arbeitsplätzen müssen einen schwerbehinderten Menschen beschäftigen. Sie zahlen je Monat 140 Euro, wenn sie diesen Pflichtplatz nicht besetzen. Unternehmen mit weniger als 60 Arbeitsplätzen im Jahresdurchschnitt müssen zwei Pflichtplätze besetzen. Sie zahlen 140 Euro, wenn sie weniger als diese beiden Pflichtplätze besetzen, und 245 Euro, wenn weniger als ein Pflichtplatz besetzt ist. Die Mittel der Ausgleichsabgabe werden zur Förderung der Teilhabe von schwerbehinderten Menschen verwendet. Darunter zählt etwa die Einrichtung eines Arbeitsplatzes oder die Förderung eines schwerbehinderten Menschen mit einem Eingliederungszuschuss.
Kristian Simon Veil
Team Kommunikation und Analyse [101.2]
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