Staatsvertrag zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz im Thüringer Landtag – Landesbehindertenbeauftragter spricht sich für Nachverhandlungen aus

Medieninformation Nr. 2/2025
 

Thüringens Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderungen Joachim Leibiger hat mit Blick auf die anstehenden Beratungen über den Staatsvertrag der Länder zur Umsetzung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (Drs. 8/320) auf Unklarheiten, mangelnde Transparenz und fehlende Beteiligung von Menschen mit Behinderungen und ihren Interessenvertretungen hingewiesen. Er empfiehlt den Abgeordneten, dem von der früheren Landesregierung ausgehandelten Vertragswerk nicht zuzustimmen, sondern auf Nachverhandlungen zu dringen.

Erfurt, den 28. Januar 2025
Joachim Leibiger: „Wie sooft bei Staatsverträgen werden Betroffene und ihre Interessenvertreter nicht bei deren Aushandlung beteiligt, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt. Die grundlegende Zielrichtung des Vertrages, eine zentrale Überwachungsbehörde für ganz Deutschland aufzubauen und in Sachsen-Anhalt anzusiedeln ist vernünftig und zu begrüßen. Denn so muss nicht in jedem Bundesland eine entsprechende Struktur aufgebaut werden. 
Da Thüringen sich zunächst mit 130.000 €, ab 2027 sogar mit mehr als 300.000 € jährlich an der Finanzierung dieser Behörde beteiligen soll, ist es wichtig zu erfahren, wie diese Behörde arbeitet, welche Informationen wie fließen und wie Menschen mit Behinderungen als von den Regelungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes Betroffene von der Behörde in ihre Arbeit einbezogen werden. Leider ist weder eine Beteiligung von Menschen mit Behinderungen und ihren Interessenvertretungen – zum Beispiel über eine Mitgliedschaft im Verwaltungsrat – vorgesehen, noch die regelmäßige Herausgabe von Tätigkeitsberichten. 
Auch der Informationsfluss an die Länder ist nicht geregelt. Der Entwurf des Zustimmungsgesetzes lässt außerdem offen, wer Thüringen im Verwaltungsrat der Behörde vertritt und wie Informationen innerhalb der Landesregierung und gegenüber dem Landtag sowie dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen mitgeteilt werden. Der Staatsvertrag ist für mich unausgereift, lässt für Betroffene wichtige Fragen offen und bedarf daher der Nachbesserung. Ich empfehle daher den Abgeordneten des Thüringer Landtags, dem Text in der vorliegenden Fassung nicht zuzustimmen.“

Hintergrund:

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2970) setzt die Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen und zur Änderung anderer Gesetze in deutsches Recht um. Im Mittelpunkt des Gesetzes stehen Barrierefreiheitsanforderungen für Selbstbedienungsautomaten, etwa beim Kauf von Fahrkarten, oder bei Geldautomaten, aber auch für Computer, Smartphones, Internetseiten im elektronischen Geschäftsverkehr. Die Länder sind nach dem BFSG verpflichtet, Marktüberwachungsbehörden für Produkte und Dienstleistungen einzurichten.
In immer mehr Bundesländern existieren Landesfachstellen für Barrierefreiheit, so auch in Thüringen. Oft sind diese Stellen trotz der vielfältigen Beratungsleistungen mit einer geringen Mitarbeiterdecke ausgestattet. Umso entscheidender ist es, hier ein geregeltes Austauschformat bzw. ein Netzwerk zu etablieren, um gemeinsames Wissen zu entwickeln und auszubauen. So zum Beispiel bei der Zugänglichkeit von Internetseiten, Fahrkarten- oder Selbstbedienungsautomaten.