Barrierefreiheit als Qualitätskriterium im Wohnraum

Inklusionstage 2022 fanden in Berlin statt

Der Ruf nach mehr bezahlbarem und klimaneutralem Wohnraum in den Innenstädten begleitet die Wohnraumdebatten. Flankiert von der Frage nach der angemessenen Versorgung: Wer kann, wie lange, seinen Wohnraum nutzen?

Die Anforderungen an den Wohnungsneubau und Umbau steigen. Vielfältige Fragen rund um das Thema Wohnen und dessen Nachhaltigkeit stellen sich der Politik. Leider wird in den Debatten der Wohnungsbau häufig nicht ganzheitlich betrachtet, ein Thema wird oft vernachlässigt, BARRIEREFREIHEIT. Schicksale, wo Familienangehörige von heute auf morgen auf barrierefreien Wohnraum angewiesen sind keine Seltenheit mehr. Ist der aktuelle Wohnungsmarkt allgemein sehr angespannt, so liegt es auf der Hand, barrierefreie Wohnungen sind Mangelware - deutschlandweit.

Die Bedarfe an barrierefreiem Wohnraum steigen entsprechend den Entwicklungen des demografischen Wandels – dies ist ein nachvollziehbarer Sachverhalt. Allerdings fehlte bisher eine Bemessungsgrenze. Erstmals wurde nun 2018 in einer Umfrage des Mikrozensus festgestellt, dass nicht einmal 2% des Wohnungsbestandes Qualitätskriterien der Barrierefreiheit, also Merkmale einer Barrierereduzierten Nutzbarkeit aufweisen.  Bei den zwei ermittelten Fragen ging es nur um schwellenlose Erreichbarkeit der Wohnung und Bewegungsflächen/ Durchgangsbreiten in der Wohnung, nicht um vollständige Barrierefreiheit! Man geht nun davon aus, dass nicht einmal jede 50igste Wohnung Merkmale von reduzierten Barrieren aufweist.

Dieses Ergebnis ist niederschmetternd für alle Menschen, welche auch zukünftig barrierefreien Wohnraum benötigen. Aktuell kommen Menschen, welche auf barrierefreien Wohnraum angewiesen sind und keinen entsprechenden Wohnraum finden in Alten- und Pflegeheime – dies ist keine zukunftsfähige Lösung. Deutlich mehr als die Hälfte der älteren Menschen lehnt diese Wohnform ab. Es gibt allerdings kaum Alternativen.

Man geht davon aus, dass 2,5 Millionen barrierefreie Wohnungen fehlen. Wobei bei dieser Erfassung nicht die individuellen Nutzungsbedarfe an den Wohnraum mit dem barrierefreien Nutzungsangebot in ein Gleichgewicht gesetzt werden können. Sieht man genauer hin, muss eine selbstbestimmte Wahlmöglichkeit für den barrierefreien Wohnraum bestehen, was ein breiteres Angebot an Wohnraum erfordert. Außerdem ist davon auszugehen, dass einige Teile der Bevölkerung ohne Einschränkungen, vorausschauend in barrierefreiem Wohnraum leben, welcher somit nicht den Menschen mit Einschränkungen zur Verfügung steht.

Um sich diesem komplexen Thema zu widmen, fanden am 31.Mai und 1. Juni 2022 in Berlin die Inklusionstage 2022 unter dem Motto WOHNEN barrierefrei. selbstbestimmt. zeitgemäß statt.

Die Inhalte und Ergebnisse der Plattform der Inklusionstage, erreichen allerdings selten die Akteure der Wohnungswirtschaft und der Politik. Was bedauerlich ist, sind doch wesentliche Schwierigkeiten und Hürden, die für mehr barrierefreien Wohnraum sprechen hier intensiv diskutiert worden.

Barrierefreiheit im Bauen, muss als nachhaltiges Komfort- und Qualitätsmerkmal begriffen werden und zum Standard werden. Dafür sprach sich auch der Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil aus.

Der Vize- Präsident der Bundesarchitektenkammer Herr Martin Müller sprach sich für mehr Dialogbereitschaft und Mut zur Lösungsfindung, in der Auseinandersetzung mit Barrierefreiheit, seiner Berufskollegen aus.

Ein Umdenken muss stattfinden!

Darum ging es auch in der lebhaften Diskussion zu den in den 16 Bauordnungen geforderten Maß der Schaffung von Barrierefreiem Wohnraum. Sowohl die Vertreter der Behindertenverbände, der Bundesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, Bundesfachstelle für Barrierefreiheit, als auch das Deutsche Institut für Menschenrechte sprachen sich für mehr rechtlich geforderten barrierefreien Wohnungsneubau in den Landesbauordnungen aus. Außerdem muss rollstuhlgerechter Wohnraum geschaffen werden, welcher bauordnungsrechtlich in den meisten Bundesländern gar nicht gefordert wird!

Nachträgliche bedarfsgerechte Anpassungen und Barriere Reduzierungen im Wohnungsbau sind häufig teuer und natürlich meist nur an individuellen Nutzerbedarfen orientiert. Logischerweise kann eine barrierefrei neu gebaute Wohnung viel mehr Nutzungsbedarfe abdecken und ermöglicht eine Selbstbestimmte Teilhabe am Leben.

Auf den Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales finden Sie eine Zusammenfassung der Inklusionstage 2022